Regional
Alles im Blick: Betina Furrer und ihr Team nehmen täglich bis zu tausend Anrufe entgegen, wie die Stadt Bern meldet.
Zu Besuch bei der Telefonzentrale.Wie stellen Sie sich ein Callcenter vor? Meine Bilder im Kopf deckten sich nicht mit der Realität. Vor dem inneren Auge sah ich eine hektische, laute Atmosphäre, mit ständig klingelnden Telefonen und eiligem Tippen auf der Tastatur.
Ich treffe Betina Furrer, die seit zwei Jahren die Telefonzentrale der Stadt Bern leitet. Bei meinem Besuch an der Bundesgasse 33 sei es angenehm ruhig, die Stimmung entspannt.
Doch dieser Eindruck täuscht: Die Ruhe liegt einerseits an der – klar geregelten – Pause für unseren Termin. 30 Minuten haben Betina Furrer und ihre Mitarbeiterinnen Zeit.Ein anderer Grund für die gelassene Stimmung: Es sei Mitte des Monats.
Geht es gegen dessen Ende zu, gibt es für die Telefonistinnen alle Hände voll zu tun – Stichwort Zahltag. Kommt es bei der Sozialhilfe zu Verzögerungen bei der Auszahlung, muss man nicht lange auf Anrufe warten. Furrer nennt einen weiteren Faktor, der dreimal jährlich zuverlässig für Stress sorgt: «Wenn die Steuerraten rausgehen, werden wir bombardiert.
Dann sei das Telefonsystem überlastet, die Menschen kommen auch im Ringruf nicht mehr durch.»Dennoch: Im Vergleich zu anderen Callcentern komme es bei der städtischen Telefonzentrale kaum oder nur zu kurzen Warteschlaufen. Das sei unter anderem der Digitalisierung zu verdanken.
«Vor einem Jahr hatten wir noch bis zu 2000 Anrufe am Tag», sagt Furrer. Derzeit schwanke die Zahl zwischen 600 und 800, an Spitzentagen seien es bis zu 1000 Anrufe.
Die Regel seien 25 bis 35 Anrufe pro Stunde und Telefonistin. Damit sei eine Mitarbeiterin gut ausgelastet.
«Was 35 übersteigt, führt zu Überlastung.» Mails beantworten die Mitarbeiterinnen zwischen 30 und 50 täglich.Seit der Pandemie arbeiten regelmässig eine bis zwei Mitarbeiterinnen im Homeoffice. «Das reduziert den Lärmpegel», so Furrer – erfordert aber auch eine gute Kommunikation.
Im täglichen Briefing am Morgen werden die Zuständigkeiten des Tages festgelegt: Wer kontrolliert die Öffnungszeiten? Wer übernimmt Umleitungen? Wer betreut das Mail-Postfach? Wer macht Mutationen? Und wer telefoniert?Neben der Triage an die Fachstellen erteilen die Telefonistinnen selbst allerlei Auskünfte. Sie nehmen Lärmklagen entgegen, klären Einfahrtsbewilligungen ab, verweisen ans Fundbüro.
Finden heraus, bis wann der Sozialarbeiter XY Ferien hat. Manche wollten den Stadtpräsidenten persönlich sprechen, andere eine Schenkung machen oder ein Kamel durch die Stadt treiben, erzählt Furrer.
Die Telefonzentrale betreut die Nummern der Steuerverwaltung, die Hauptnummer des Sozialdiensts und einen Teil der Anfragen ans Tiefbauamt und Polizeiinspektorat.Feedback aus der Bevölkerung gibt es nur begrenzt: «Meist bemerken wir eine stille Dankbarkeit der Bürger*innen. Man spürt ja, wie das Gegenüber reagiert und spricht.» Für den Beruf müsse man die Menschen mögen und gern kommunizieren.
Ihr Credo laute: ruhig, freundlich, kompetent. Bei aggressiven Anrufer*innen werde aber auch mal um Anstand gebeten.
«Wenn man acht Stunden am Hörer ist, muss man sich nicht alles gefallen lassen», sagt Furrer. Sie lege Wert darauf, dass die Mitarbeiterinnen ein Ventil hätten, nach einem anstrengenden Telefonat sagen zu können, «das war jetzt ein Seich» – und sich Grenzen bei der Verantwortung setzen.Neueintritte und Austritte bei der Stadtverwaltung werden in verschiedenen Systemen erfasst, die mit Daten «gefüttert» werden müssen, so Furrer.
Darunter der Stadtkalender, der im Zweiwochen-Takt aktualisiert wird. «Damit Personalwechsel überall auf das richtige Datum angepasst sind, müssen wir an diese Infos gelangen.» Das sei vergleichbar mit einem Puzzle – eines der anspruchsvollen Sorte, sagt Furrer.
Sie sei deshalb immer sehr dankbar, wenn die Abteilungen ihre Mutationen rechtzeitig und präzise mitteilen.Die Arbeit in der Telefonzentrale sei ein Ad-hoc-Geschäft. «Wir müssen sehr wendig sein», sagt Furrer.
Es bedingt ein stetiges Abgleichen. «Telefonie sei immer in einem Wandlungsprozess.
Man muss ständig kontrollieren, was heute aktuell sei und ob es das morgen auch noch ist.» Der Blick geht zwar in alle Richtungen, aber: «Die angegebenen Daten können gar nicht immer stimmen. Wenn man ein Perfektionist ist, werde man hier schier verrückt», erzählt Furrer lachend.Punkt 14 Uhr werden die digitalen Leitungen wieder geöffnet.
Es dauert keine fünf Sekunden, bis die Telefonistinnen ihren ersten Anruf entgegennehmen. Mit ihren Headsets, ganz ohne Telefongeklingel oder der Spur einer Hektik..
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Bern «Eine Perfektionistin würde verrückt uns»